Warum die Treue ihres Mannes Marie Antoinettes Untergang war

Kannst du dir vorstellen, dass die Treue eines Königs zu seiner Ehefrau eine ganze Nation zum Einsturz gebracht haben könnte?

 

Treue in der Ehe ist einer unserer höchsten Werte und eine unserer wichtigsten Erwartungen in einer Partnerschaft. So sehr, dass viele selbst einvernehmliche polyamore Beziehungen als »Betrug« empfinden.

Louis XVI (»Ludwig der Sechzehnte«), König von Frankreich und Ehemann der berühmt-berüchtigten Marie Antoinette, sah das ähnlich und weigerte sich rundheraus, sich Mätressen zu nehmen. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern, die quasi einen ganzen Stall voller adliger (und *gasp* bürgerlicher!) Mätressen unterhielten.

Was ist eine Mätresse?

Im Laufe der Frühen Neuzeit (16.-18. Jhd, klicke hier, wenn du deine »Innere historische Karte« mit bekannten Fernsehserien erweitern möchtest!) waren Mätressen, also die Geliebten des Königs, so wichtig und politisch bedeutend geworden, dass seine Lieblingsmätresse die offizielle »maîtresse en titre« (»offizielle Mätresse« oder »Titularmätresse«) – also einen richtigen, echten höfischen Titel erhielt.

Mätressen, insbesondere die »maîtresse en titre«, waren keine willenlosen Betthäschen, sondern mächtige Political Players. Sie hatten direkten Zugang zum König und damit eine Menge Einfluss auf seine Entscheidungen. Wer in der Gunst des Königs aufsteigen, ein höheres Amt bekleiden oder um einen Gefallen bitten wollte, der war besser verdammt freundlich zu seinen Mätressen.

Die Macht der Mätresse

Ironischerweise war es für Frauen in dieser ultra patriarchalen Gesellschaftsform der sicherste Weg in die Unabhängigkeit, zur Mätresse des Königs zu werden. Mätressen erhielten eine Menge Schmuck und Geschenke vom König und von denjenigen, die darauf hofften, dass die Mätresse ein gutes Wort beim König für sie einlegen würde. Die Lieblingsmätressen bekamen außerdem oft Ländereien und sogar Adelstitel geschenkt. »So what«, denkst du vielleicht, »gab ja viele reiche Adlige.« Und ja, stimmt, ABER: Adelstitel und Ländereien gehörten immer dem Mann: Dem Vater, Ehemann oder Sohn. Eine Frau konnte Ländereien zwar für ihren abwesenden Ehemann oder minderjährigen Sohn verwalten, aber sie blieb immer »Tochter«, »Frau« oder »Mutter« von XY.

Nicht so die Mätressen. Sie besaßen ihre eigenen Ländereien und mit Glück sogar ihre ganz eigenen Adelstitel – etwas, das nicht einmal die Königin von sich sagen konnte!

Mätressen waren fucking Powerfrauen!

Mätressen und Propaganda

Aber warum soll es jetzt ein Problem sein, dass Louis XVI keinen Bock auf weitere Powerfrauen neben seiner eigenen hatte?

Mätressen hatten noch einen weiteren, enorm wichtigen Zweck, den Louis XVI und Marie Antoinette völlig unterschätzten: Sie waren außerdem die It-Girls und Influencerinnen ihrer Zeit. Alle schauten, was sie taten, bewunderten ihre fancy Kleider und zerrissen sich das Maul über ihre abgehobenen Eskapaden und öffentlich inszenierten Bitch-Fights.

Menschen lieben einfach Gossip und das nicht erst seit Instagram.

Die Mätressen waren damit so etwas wie ein »Puffer« für die Bedürfnisse und Launen des Volkes.

Der König galt als »von Gott erwählt«. Ihn offen zu kritisieren, galt als Gotteslästerung und Hochverrat und konnte schnell verdammt gefährlich werden. Aber auf wen schimpft man dann, wenn man viel zu hohe Steuern zahlt und Hunger leidet? Na klar, auf die »verschwendungssüchtige dumme Kuh« an seiner Seite.

Die Mätressen fungierten also als Blitzableiter für den Ärger im Volk.

Marie Antoinette – die Habsburger H*re

Louis XVI hatte keine solchen Blitzableiter, also traf es die nächstbeste an seiner Seite: Seine Ehefrau.

Leider bot sie dank ihrer jugendlichen Begeisterung für Parties, Gesellschaft und die schönen Künste eine leichte Zielscheibe. Verstärkt wurde das noch durch ihre Herkunft aus dem Hause Habsburg – dem jahrzehntelangen Erzfeind Frankreichs.

Sexismus, Xenophobie und verstaubte Etikette waren ein explosiver Mix und im Nu wurde aus der bezaubernden Dauphine Marie Antoinette nur »Die Habsburger Hure«.

Weitreichende Folgen

Die obszönen Pamphlete mit Bildern von Marie Antoinette und … eigentlich allen aus Versailles (selbst ihrem Mops!), waren eigentlich keine große Neuigkeit. Solche Pamphlete wurden schon seit der Erfindung der Druckerpresse hergestellt. If it exists, there’s porn about it und so.

Absolut neu war jedoch, dass diese Pamphlete nicht Mätressen und andere »normale« Adlige zeigten, sondern dass sie die Königin von Frankreich höchstselbst verunglimpften!

Mal abgesehen von der emotionalen Belastung für die junge Frau (sie war gerade erst 18, als sie Königin wurde!!), war das ein brutaler Angriff auf die Königswürde. Und jedes weitere Pamphlet, Gerücht und Schmählied zerstörte den Respekt des Volkes Stück Stück für Stück.

 

Das war selbstverständlich nicht der einzige Grund für die Französische Revolution, aber einer von vielen Balken, auf denen das Podest für die Guillotine und das Ende der Monarchie in Frankreich errichtet wurde.